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Klasse-C-Führerscheine: Mitgefahren bei den neuen Fahrern

Ohne Nachwuchs fährt keine Feuerwehr
Ohne Fahrer sind bei Feuerwehren keine Einsätze möglich. Bei heute tonnenschweren Fahrzeugen braucht es aber LKW-Führerscheine, die der Nachwuchs nicht automatisch hat. Doch dank Unterstützung ist die Wettringer Wehr gut aufgestellt. Eine Reportage.
Bericht / Bilder: Fabian Kronfeld/MV
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„Fahrstunde“ bei der Feuerwehr: (v.l.) Emile Flüthmann, Ausbilder Markus Abbing und Marius Ipe.
Die Sonne steht tief über dem Münsterland, ideales Wetter, klare Sicht. Weder Blaulicht-Reflexionen, Martinshorn-Tinnitus, noch Rettungshubschrauber-Knattern stören die Sommeridylle. Und doch fahren seit einer Stunde immer wieder Löschfahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr Wettringen über die Landstraßen. Ein, zwei, drei identische Runden durch den Ort, vorbei an den fragenden Blicken der wenigen Feierabend-Sportlerinnen und -Sportler.
Aber keine Sorge, hier wird nur geübt. Fahren geübt. Der Nachwuchs der Feuerwehr sitzt am Steuer. Marius Ipe, 25 Jahre alt, erlebt auf dem Bock des „kleineren“ TLF4000 eine seiner letzten internen „Fahrstunden“, die sogenannten Einweisungsfahrten. Kamerad Emile Flüthmann, 21, ist zum ersten Mal als Fahrer gefordert. Und wird von Ausbilder Markus Abbing direkt mit dem modernsten Giganten der Wehr, das HLF20, betraut. Der bringt gleich 16 Tonnen auf acht Metern mit.
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Moderne Löschfahrzeuge sind tonnenschwere Giganten – für die es einen Klasse-C-Führerschein (LKW) braucht.

 

Die drei Wettringer sind heute alleine in der Wache an der Bilker Straße, tragen trotz der warmen Temperaturen die volle Einsatzkleidung in Beige und Neon, wie im Notfall eben, wenn jede Sekunde zählt. Heute brauchen Ipe und Flüthmann aber keinen Druck oder Stress zu spüren. „Wir haben keine Vorgaben für die Einweisungsfahrten“, erklärt Ausbilder Abbing. „Das Hauptziel ist die Eingewöhnung.“ Denn: Ein Löschfahrzeug zu führen ist mehr als das Fahren, man muss die Systeme kennen, die Fahrzeugmasse und Gewichtsverteilung im Blick und Gefühl haben. Der Schwerpunkt ist hoch, die Masse immens. „Wie in der Fahrschule brauchen manche mehr, andere Leute weniger Zeit.“
„Lieber nichts riskieren, dann halt zehn Sekunden später ankommen.“
Marius Ipe
Apropos Fahrschule: Beide jungen Wehrleute, ausgebildete Truppmänner und auf dem Weg zu Maschinisten, haben einen Führerschein der Klasse C absolviert, um damit Lastkraftwagen und eben die großen Löschfahrzeuge fahren zu dürfen.
Zuschuss von der Gemeinde
Und das ist für die zukünftige Einsatzbereitschaft der Feuerwehr enorm wichtig, weiß Markus Abbing und blickt über die Fahrzeughalle, weist auf den Mannschafts-Bulli: „Wir haben nur noch ein Fahrzeug, das man ohne Klasse C fahren darf. Alle anderen bringen mehr als die 3,5 Tonnen mit, die man mit dem Auto-Führerschein fahren darf.“
„Wir haben nur ein Fahrzeug, das man ohne Klasse C fahren darf. Alle anderen sind schwerer.“
Markus Abbing
Deshalb freut er sich, dass die jungen Wettringer als Fahrer nachrücken wollen. „Bei uns sind bereits einige der Älteren, die noch einen Klasse 3- oder Klasse 2- Führerschein hatten, wo der LKW mit drin war, in die Altersehrenabteilung gegangen. Aber irgendwer muss uns ja zur Einsatzstelle fahren.“ Dass unter der Woche, während der Arbeitszeit, deshalb Fahrer fehlten und nachalarmiert werden musste, hat die Wehr schon mehrfach erlebt.
Aber, die Gemeinde hilft aufgrund dieser Problematik aus, schießt 2000 Euro pro Klasse-C-Fahrausbildung zu, um junge Fahrer zu bekommen. Führerscheine sind teuer geworden. Die finanzielle Unterstützung konnten auch Flüthmann und Ipe gut gebrauchen. Spaß habe die Ausbildung bei einer Fahrschule der Wahl dennoch gemacht.
Verantwortung und Flexibilität
Der Spaß ist aber nicht alles, weiß Marius Ipe: „Dass man die Löschfahrzeuge jetzt fahren darf, ist natürlich cool. Aber man muss bedenken, dass man eine große Verantwortung hat, damit durchs Dorf zu fahren, mit bis zu acht Leuten. Und man muss die anderen Verkehrsteilnehmer im Blick behalten.“
Für Flüthmann und Ipe war von Beginn an klar, dass sie den C-Führerschein für die Feuerwehr machen. Warum? „Um mehr Möglichkeiten zu haben, nicht bloß hinten drin zu sitzen. Und wir sind eine junge Truppe, da haben den nicht viele“, meint Ipe, Flüthmann nickt und ergänzt: „Um einfach flexibler zu sein in den Aufgaben. Und auch weil ich in der Fachgruppe für den neuen Einsatzleitwagen mit 4,5 Tonnen bin, für den man die Klasse C haben muss.“
 
Erste Ausfahrt mit 16 Tonnen
Statt 4,5 Tonnen werden heute deutlich mehr Tonnen bewegt. Endlich geht es auf den Bock des HLF20. Im Führerhaus mit drei Displays, Funk und unzähligen Knöpfen weist Markus Abbing die jungen Truppmänner in alle Funktionen ein. Emile Flüthmann dreht den Zündschlüssel. Das Radio springt auf voller Lautstärke an, ein Partysong, alle zucken kurz zusammen. Und müssen dann lachen. Radio aus, weiter geht’s mit der Einweisung. „Den Tempomat brauchen wir eigentlich nicht“, weiß Abbing. „Die Berganfahrhilfe würde ich drin lassen.“ Wo ist was, was muss man wann und wie betätigen, worauf achten. Informationen, damit die jungen Wehrleute im Einsatz Bescheid wissen.

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Wo ist was, wie funktioniert es? Vor dem ersten Einsatz müssen die Fahrer die Systeme kennenlernen.
 
Die Tore werden geöffnet, die Abendsonne strahlt ins Führerhaus, Flüthmann lässt das HLF20 vorsichtig hinausrollen, kurbelt beim Abbiegen auf die Bilker Straße am Lenkrad, Markus Abbing daneben und Marius Ipe hinten haben alles im Blick, aber nichts zu meckern. Smalltalk ist ohnehin schwierig, während der dröhnende Motor das Führerhaus und die Mannschaftskabine vibrieren lässt. Mit gemütlichen 60 bis 70 Stundenkilometern fahren die drei vorbei an idyllischen Feldern auf dem Bilker Berg, auf der anderen Seite über Rothenberge und das Industriegebiet zurück.
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Selbst auf der Landstraße gilt es nicht zu hetzen: Ankommen ist wichtiger. | Foto: Fabian Kronfeld

 

Eine sichere Fahrt, sogar beim Zurücksetzen in die Fahrzeughalle der Feuerwache. Einwandfrei eingeparkt unter den Augen der staunenden Nachbarskinder. „Ja, bestanden würde ich sagen“, meint Markus Abbing.
Anzukommen hat Priorität
Fahrzeug- und Fahrerwechsel, es geht auf das TLF4000. Vorab die Frage an Flüthmann, wie sich die erste Fahrt angefühlt hat. „Im Vergleich zum Fahrschul-LKW sogar einfacher als erwartet“, meint der und grinst.
„Im Vergleich zum Fahrschul-LKW war es sogar einfacher als erwartet“
Emile Flüthmann zur ersten Fahrt
Im TLF4000 hat Marius Ipe derweil den System-Check hinter sich und weiß bereits, was er für die Fahrt eines Löschfahrzeugs zu erwarten hat. „Dass es vorne höher gelegt ist und gerne dazu neigt, zu schwimmen. Es ist ein anderes Fahrgefühl als mit normalen LKW, die wesentlich tiefer liegen und den Schwerpunkt näher an der Straße haben.“ Das Handling findet der Wettringer aber ganz angenehm und betont: „Dennoch sollte man im Ort etwas langsamer fahren, um sicher anzukommen. Gerade enge und zugeparkte Siedlungen sind nicht zu unterschätzen.“ Das Motto: „Lieber nichts riskieren, dann halt zehn Sekunden später ankommen“ – um eben retten, löschen, bergen, schützen zu können.
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Sicher durch das Industriegebiet, Eile ist fehl am Platz.
 
Deshalb: Solange abends Löschfahrzeuge ohne Blaulicht und Martinshorn ihre Runden um Wettringen drehen, hat sich Fahrer-Nachwuchs gefunden, der weiter dafür sorgt, dass die Feuerwehr (an)kommt.

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