Brandschutzbedarfsplan wird erstmals seit 2002 fortgeschrieben
Eine Jugendfeuerwehr bis 2030
von Jens Keblat, MV
Dieses Papier geht richtig ins Geld: Im Haupt- und Finanzausschuss der Gemeinde ist die lange überfällige Fortschreibung des Brandschutzbedarfsplans beschlossen worden. Zwar geht es der Feuerwehr keinesfalls schlecht, doch guter Rat ist in diesem Fall dennoch sehr teuer.
Wenn man einmal in der Einsatzstatistik der Freiwilligen Feuerwehr blättert, kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass im Hiärtken die Welt noch in Ordnung ist: hier und da mal ein paar Brände und Verkehrsunfälle, ab und an mal Unwetter und nur ganz selten mal mehr. Dafür müsste es der bescheidene Fuhrpark der Wehr doch eigentlich tun, könnte man meinen.
Doch so einfach ist das nicht: Seit 1998 müssen alle Gemeinden in NRW Brandschutzbedarfspläne erstellen. Darin wird zwar grundsätzlich auch der Ist-Zustand einer Feuerwehr dokumentiert. Doch Ziel eines solchen Papieres ist es, das in einer Gemeinde vorhandene Gefahrenpotenzial zu ermitteln und mithilfe von Schutzzieldefinitionen und Risikoanalysen festzulegen, wieviel Feuerwehr eine Gemeinde tatsächlich braucht. Was in den ersten Jahren noch den Charakter väterlicher Ratschläge hatte, ist seit der Einführung des Brandschutz-, Hilfeleistungs- und Katastrophenschutzgesetzes (BHKG) im Jahr 2016 Pflicht.
Das heißt: Brandschutzbedarfspläne müssen seitdem zwingend aufgestellt, umgesetzt und spätestens nach fünf Jahren fortgeschrieben werden. Das BHKG schreibt auch vor, dass die Gemeinden eine „den örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige Feuerwehr“ haben müssen.
Doch im Hiärtken hat man sich mit dieser Pflichtaufgabe viel Zeit gelassen. Der Neubau des Gerätehauses sowie die Beschaffung des großen Staffel-Tanklöschfahrzeuges haben der Feuerwehr in den vergangenen Jahren zwar mehr als gutgetan und waren dringend erforderlich. Doch den ersten Brandschutzbedarfsplan aus dem Jahr 2002 hat man dennoch nie weiter fortgeschrieben – bis jetzt.
Anne Kathrin Esser, Brandschutzexpertin bei der Kommunalagentur NRW, hat der Gemeinde nun von unabhängiger Stelle einen 54 Seiten starken Feuerwehr-Fahrplan für die kommenden fünf Jahre vorgelegt. Dieser hat zwar gerade erst den zuständigen Fachausschuss passiert und wird aber wohl wegen letzter noch nötiger Anpassungen erst in der übernächsten Gemeinderatssitzung beraten und beschlossen werden und erst dann zur Umsetzung kommen.
„Erkennbar ist, dass durch günstig gelegene Arbeitsstätten und entsprechende Freistellungen (...) die zu erreichende Fläche tagsaber geringfügig größer ist als nachts (...). Dies unterscheidet die Feuerwehr Wettringen von einem Großteil der übrigen freiwilligen Feuerwehren in NRW.” Anne Kathrin Esser, Brandschutzexpertin bei der Kommunalagentur NRW, über die Verfügbarkeit der Kameraden |
Mit Blick auf den Ist-Zustand weist das Papier ein jährliches Einsatzaufkommen von 66 aus, darunter im Schnitt sechs Mittel- und vier Großbrände sowie vier Verkehrsunfälle. Insgesamt offenbart die Gefährdungsanalyse auch keine Überraschungen, lediglich an drei Stellen im Gemeindegebiet sei die Wasserversorgung nicht optimal. Mit fast 100 aktiven Mitgliedern stehe zudem eine derzeit noch ausreichende Menge Manpower bereit. Doch damit ist es nicht getan: Im Brandschutzbedarfsplan wird auch analysiert, inwieweit verbindliche Schutzziele eingehalten werden können. Diese lassen auch keinen Spielraum, denn die Gefahr wartet nicht.
Mangels Einsätze ließ sich für die Expertin nicht eindeutig feststellen, inwieweit die Kameraden immer rechtzeitig zur Stelle sind. Diesbezüglich will man in den kommenden Jahren sicherstellen, dass die Feuerwehr in jeweils 80 Prozent der Fälle – grob skizziert – im Ortskern binnen acht Minuten mit dem ersten Löschfahrzeug und in den Außenbereichen binnen zwölf Minuten zur Stelle ist.
Eine Untersuchung der Verfügbarkeit der Kameraden fällt sogar überraschend aus: „Erkennbar ist, dass durch günstig gelegene Arbeitsstätten und entsprechende Freistellungen (…) die zu erreichende Fläche tagsüber geringfügig größer ist als nachts (...). Dies unterscheidet die Feuerwehr Wettringen von einem Großteil der übrigen freiwilligen Feuerwehren in NRW.“
Damit das auch mindestens so bleibt und es auch mit der Verstärkung klappt, kann sich die Feuerwehr nicht auf den Lorbeeren ausruhen: „Es muss eine aktive Ansprache ortsansässiger Arbeitgeber zur Förderung der Tagesverfügbarkeit erfolgen“, schreibt Expertin Esser.
Trotz einer bereits guten Nachwuchsförderung und einer insgesamt personell guten Ausstattung, sieht der neue Masterplan nicht für die kommenden fünf, spätestens aber in zehn Jahren eine Jugendfeuerwehr vor: „Die Jugendfeuerwehr soll langfristig als Nachwuchsorganisation gegründet werden.“ Dazu soll ein Konzept „Jugendfeuerwehr 2030“ erarbeitet werden.
Weil der Aufwand für den Aufbau und Betrieb einer solchen nicht unerheblich ist, war eine richtige Jugendabteilung in den Reihen der Wehr bislang kein allzu großes Thema. Beleg dafür ist der Umstand, dass es in ganz NRW nur noch zwei weitere Feuerwehren ohne Jugendfeuerwehr geben soll. Neben weiteren Optimierungen am Gerätehaus und der Ausstattung ergeben sich damit beachtliche Herausforderungen für alle Beteiligten.
Das Fuhrpark-Gruppenfoto macht es deutlich: (v. l.) Das Wechselladerfahrzeug hat der Kreis Steinfurt in Wettringen stationiert, es hat für den Brandschutzbedarfsplan daher nahezu keine Relevanz, auch das Tanklöschfahrzeug ist erst sechs Jahre alt, doch alle übrigen Fahrzeuge müssen in den kommenden Jahren ersetzt werden. Den Anfang soll das kleine Löschfahrzeug (3. v. r.) machen.
Taktik und Teamarbeit nützen nichts, wenn die Technik hinterherhinkt: Die fünf gemeindeeigenen Feuerwehrfahrzeuge sind im Schnitt über 15 Jahre alt. Der neue noch nicht vom Gemeinderat beschlossene Brandschutzbedarfsplan sieht aus diesem und anderen triftigen Gründen vor, vier der fünf Fahrzeuge der Dringlichkeit nach sukzessive zu ersetzen. Zwar wird bei Feuerwehrfahrzeugen und insbesondere bei Großfahrzeugen eine vielfach höhere Nutzungsdauer angestrebt als beim Privat-Pkw, doch für die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft ist der Fahrzeugbestand nicht mehr gewappnet. Das geht aus dem neuen Bedarfsplan für den Brandschutz in der Gemeinde klar hervor. Ein Beispiel: Nur auf einem Löschfahrzeug ist ein hydraulischer Rettungssatz unter anderem für die Rettung eingeklemmter Personen bei einem Verkehrsunfall verlastet. Fällt dieses Fahrzeug aus oder ist anderweitig gebunden, müßte die Feuerwehr Neuenkirchen ad hoc für Redundanz sorgen. Dies ist zukünftig zu ändern, stellt Brandschutz-Expertin Anne Kathrin Esser von der Kommunalagentur NRW fest.
Neben Optimierungen im Gerätehaus - eine Ladeerhaltung für Druckluft bei den Großfahrzeugen muss kurzfristig her - die größte Baustelle: der Fuhrpark. So ist der Einsatzleitwagen auch durch technische Aufrüstungen zu klein geworden.
Zudem entspreche der Einsatzleitwagen, ein VW T4-Transporter, nicht mehr den heutigen Platzanforderungen. Noch düsterer sieht es gar für das 25 Jahre alte Löschfahrzeug LF 10 aus. Esser: Hier bestehen mittlerweile TÜV-Mängel, sodass eine Erneuerung auch aus sicherheitstechnischen Gesichtspunkten kurzfristig unumgänglich ist. Für Einsätze mit atomaren, biologischen und chemischen Gefahrstoffen müsse zudem eine bislang fehlende Grundausstattung vorgehalten werden. Überhaupt empfiehlt die Kommunalagentur, künftig Kleinfahrzeuge alle zehn und Großfahrzeuge alle 20 Jahre zu ersetzen, um eine Situation wie die derzeitige zu vermeiden. In einem ersten Schritt sieht der Bedarfsplan, der auch Ergebnis vieler Beratungen mit der Feuerwehr-Führung ist, einen adäquaten Ersatz für das alte LF 10 vor. Aufgrund der nicht immer ausreichenden Löschwasserversorgung wird ein Fahrzeug benötigt, welches über ausreichend zusätzliches Schlauchmaterial verfügt, heißt es dazu. Um auch für Verkehrsunfälle und andere komplexere technische Hilfeleistungen gerüstet zu sein, soll nun ein Fahrzeug abseits gängiger Normen her: Sowohl ausreichend Schlauchmaterial als auch ein mobiler zweiter Rettungssatz können auf einem LF Logistik (mit Gruppenkabine) gut integriert werden, schreibt Expertin Esser.
Ein LF Logistik, wie es der Brandschutzbedarfsplan vorschlägt, findet beispielsweise in Hörstel seit 2014 Verwendung. Während das Fahrgestell mit Gruppenkabine feuerwehrtypisch aussieht, wird der Schwerpunkt Logistik am Aufbau mit Ladebordwand deutlich.
Kein schlechter Zug, bei dieser Beschaffung sollen somit gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Ein neues Fahrzeugkonzept für die Wehr sieht eine solche oder alternative Beschaffung wegen des abgängigen LF 10 bereits im kommenden Jahr vor. Doch weil die europaweite Ausschreibung und der Bau eines solchen Sonderfahrzeugs derzeit durchaus mehrere Jahre dauern kann, gilt für Rat, Verwaltung und Feuerwehr, jetzt schnell wieder vor die Lage zu kommen. In den darauffolgenden Jahren würden dann ein neuer Einsatzleitwagen (ELW), ein neues Mannschaftstransportfahrzeug, das wegen einer landesweiten Einsatzbarkeit des ELW zu Redundanzwecken auch als Behelfs-ELW ausgestattet sein muss und schließlich im Jahr 2024 noch einmal ein neues Hilfeleistungslösch-fahrzeug folgen. Die damit bevorstehenden Investitionen in den kommenden fünf Jahren könnten je nach Ausstattung der Fahrzeuge und Marktlage kumuliert durchaus die Millionenmarke erreichen. Kein Schnäppchen, dafür aber ein großes Plus an Sicherheit für das Hiärtken, für das in der übernächsten Gemeinderatssitzung gesorgt werden könnte.